Lerne die tiefe Hocke

Tiefe Hocke Titelbild

Die tiefe Hocke (oder asiatische Hocke/ Saigon Hocke) ist, ähnlich wie Barfußlaufen, eine der wenigen Fertigkeiten, die dem Menschen zwar angeboren sind. Aber irgendwann im Laufe des Lebens kommt sie abhanden und wird verlernt.

Genau wie Barfußlaufen unsere verhätschelten Füße wieder aufpäppelt und widerstandsfähiger macht, so ist die tiefe Hocke eins dieser fehlenden Puzzleteile unseres modernen Lebens. Das Wiedererlernen der tiefen Kniebeuge sorgt dafür, dass unsere Sprunggelenke, Knie und Hüften beweglich und belastbar bleiben.

Als Kleinkind konnten wir alle in die tiefe Hocke gehen und gefühlt ewig in dieser Position verharren. Als Erwachsene können die tiefe Endposition der tiefen Kniebeuge, allerdings nur noch sehr wenige Menschen einnehmen.

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Was ist in dieser Zeit passiert, dass wir eine grundlegende Körperposition verlernt haben, die eigentlich tief in unseren Genen verankert ist? In diesem Blog geht es darum, wie du die tiefe Hocke wieder erlernst.
Gliederung:

  1. Deshalb scheitert die tiefe Hocke – hier geht es um die Ursachen für Beweglichkeitsdefizite
  2. Deshalb solltest du die tiefe Hocke lernen – hier erfährst du warum die tiefe Hocke gesund ist
  3. Die größten Einflussfaktoren auf die tiefe Hocke – diese Faktoren kannst du nicht beeinflussen
  4. Beweglichkeitseinschränkungen der tiefen Hocke beheben – diese Faktoren kannst du beeinflussen (Korrekturübungen)
  5. Fazit zur tiefen Hocke (Saigon Hocke)

Falls du darüber hinaus Hilfe benötigst: Hier erfährst du mehr über unser individuelles Personal Training in Köln und Seminare zur tiefen Hocke (Squat Mobility Workshop).

1. Deshalb scheitert die tiefe Hocke / tiefe Kniebeuge

Zwei wesentliche Faktoren, weshalb ein Großteil, der in westlichen Welt lebenden Menschen die tiefe Hocke verlernt haben, sind:

Hüfte und Hüftbeugermuskeln
Die Hüftbeugermuskeln sind häufig verkürzt, verhärtet, zu schwach und können deshalb schlecht angesteuert werden.

1. Schuhe: Durch moderne Schuhe mit anatomisch geformten Fußbetten und hohen Absatz-Sprengungen, wurden unsere Füße systematisch geschont. Durch das Fußbett werden die Fußgewölbe künstlich gestützt, so dass die Fußmuskeln und -bänder weniger gefordert werden. Ein Mangel an Bewegungsfreiheit in modischen, engen Schuhen führt über die Jahre eines Lebens u.a. zu unbeweglichen Sprunggelenken und verkürzten Waden. Beweglichkeit, die für einen ausreichenden Knievorschub bei der tiefen Hocke fehlt. Mit regelmäßigen Barfußlaufen kann man diesem Problem entgegenwirken. Einige Schuhhersteller haben darauf auch schon mit entsprechenden Barfuß-Schuhen reagiert. Barfuß-Schuhe lassen sich nicht nur während des Sports, sondern auch im beruflichen Alltag tragen. Über Barfußschuhe und Barfußlaufen haben wir in diesem Barfußblog bereits geschrieben.

2. Stühle: Unsere Stühle rauben uns die Beweglichkeit in unseren Hüften. Beweglichkeit, die letzten Endes fehlt, um in die tiefe Hocke zu gehen! Die Gesäßmuskeln, die besonders stark in und aus der tiefen Hocke heraus aktiviert werden können, schlafen auf Grund von chronischer Unterforderung ein und werden wortwörtlich platt gesessen. Die gluteale Amnesie, wie Experten den Dornröschenschlaf des ehemals schönsten Muskel unseres Körpers bezeichnen, nimmt ihren Lauf. Ebenso verkürzen und verhärten die Hüftbeugermuskeln in der Front unserer Hüften. Grund hierfür ist die ständig entlastete leicht angewinkelte Oberschenkelposition im Sitzen.
Unser Körper hat die wunderbare Eigenschaft, sich an alle Umweltreize bestmöglich anzupassen. Im Training machen wir und das zu nutze. Aber leider passt der Körper sich auch an die Annehmlichkeiten eines modernen Lebens an. So sind wir im Laufe der Jahre zu Weltmeister-Sitzern und Schuhträgern geworden. Bereits in der Schule werden wir als Kinder zu ausdauernden Power-Sitzern erzogen. Wenn man Kinder in der Schule dabei beobachtet, erkennt man sofort, dass ihnen das Stillsitzen schwer fällt. Sie müssen diese neue Haltung noch „trainieren“, wozu sie in den folgenden Jahren noch reichlich Gelegenheit bekommen. Spätestens an diesem Punkt in unseren Leben, fangen die meisten Menschen an, sich in großen Schritten von der tiefen Hocke weg zu entwickeln.

Abgedrückte Blutgefäße in der tiefen Hocke

Ein weiterer Grund weshalb viele Menschen die tiefe Hocke als mühsam empfinden ist: Wenn man die tiefe Hocke nicht gewöhnt ist, klemmt man sich in dieser Position unweigerlich einige Bein-Blutgefäße ab. Das führt dann zum typischen Brennen in den Beinen. Durch häufigeres Einnehmen der tiefen Hock-Position, reagiert der Körper aber auf diesen Zustand. Er bildet kollaterale Blutgefäße aus! Diese sind dann in der Lage unsere Beine selbst in der tiefen Hocke ungehindert mit sauerstoffreichen Blut zu versorgen. Nach einigen Monaten und Jahren der Gewöhnung, bekommt man einen Vorgeschmack darauf, wie entspannend und mühelos das Leben in der tiefen Hockposition sein kann. Man versteht erst dann, warum die Hock-Position für einen beträchtlichen Anteil der Weltbevölkerung eine effiziente Ruheposition darstellt. Wer schon mal in Asien war, dem ist sicherlich aufgefallen, das die tiefe Hocke ein fester Bestandteil de täglichen Lebens ist (Saigon Hocke).

2. Deshalb solltest du die tiefe Hocke lernen

tiefe hocke lernen
Jetzt kann man sagen, nun gut, dann gehe ich eben nicht in die tiefe Hocke. Bisher bin ich ja auch so gut klar gekommen! Allerdings sorgt das Beherrschen der tiefen Hocke für Abhilfe so mancher Probleme, unter denen viele Menschen heute leiden.

2.1 Linderung von Knie- und Hüftproblemen

Unsere Gelenke geben uns durch ihre Beschaffenheit eine gewisse Bewegungsfreiheit vor. Um diese Beweglichkeit zu erhalten, müssen Strukturen wie Knorpel, Bänder und Gelenkkapseln ihre zugewiesenen Aufgaben erfüllen. Der Knorpel sorgt für das Gleitlager, die Gelenkkaspel für die Gelenkschmiere und Bänder für den notwendigen Halt und Sicherung. Diese Strukturen wachsen oder schrumpfen alle mit ihren Aufgaben.
Wenn Gelenke nicht über ihren vollen, zur Verfügung stehenden, Bewegungsradius genutzt werden, verkümmern auch die an dieser Bewegung beteiligten Strukturen. Die Knorpelschicht wird dünn und unzureichend geschmiert. Der stabilisierende und führende Bandapparat wird ebenfalls dünner und verkalkt zunehmend, was ihn anfällig für Risse macht (Kreuzbänder, Seitenbänder etc.).
Das ist auch einer der Gründe, warum sich Freizeitsporttreibende häufig bei seltenen, aber intensiven Belastungen verletzen. Der Kreislauf der Verkümmerung unserer Strukturen wird dann durch Ärzte, die zur Behandlung der Verletzung Schonung empfehlen, weiter verstärkt. Unser Körper kann den Abbau sogar soweit vorantreiben, das Gelenke, die über längere Zeit nicht bewegt werden, wie z.B. beim einem Gipsverband nach Knochenbrüchen, sogar anfangen zu verknöchern.
Durch eine regelmäßige Beanspruchung der Knie und Hüften im ganzen anatomischen Bewegungsradius, kann man diesem natürlichen Abbau sehr leicht entgegenwirken. Eine einfache und natürliche Methode hierfür ist die tiefe Hocke. Der renommierte Rückenexperte, Stuart McGill, praktiziert die tiefe Hocke selbst regelmäßig. In diesem Interview beschreibt er, wie er dadurch vor rund 15 Jahren seine eigene Hüftersatz-OP umgehen konnte (Interview von Bret Contreras und Stuart McGill).

2.2 Kräftigung schwacher Gesäß- und Beinmuskeln

Zahlreiche Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen tiefer Hocke und höherer Kraft und Leistung von Bein- und Gesäßmuskeln. Diejenigen unter uns, die Kniebeugen im Krafttraining einsetzen, wissen aus eigener leidiger Erfahrung, dass der unterste Teil der Übung der schwerste ist! Genau daher rührt auch die höhere Kraft in der Gesäß-Muskulatur bei routinierten Tief-Hocker Veteranen! 😉

2.3 Hämorrhoiden Prophylaxe

Spätestens nach dem Bestsellerbuch Darm mit Charme, wissen viele, dass der Endabschnitt unseres Verdauungstrakts einen Knick aufweist. Erst in der tiefen Hocke entspannt sich die Muskulatur und sorgt so für eine senkrechte Abwärtspassage nach unten. Wenn das nicht der Beweis schlecht hin ist, dass die tiefe Hock-Position dem Menschen angeboren ist, dann weiß ich auch nicht.
In ihrem Buch zitiert Giulia Enders eine Studie, in der die Zeitdauer eines durchschnittlichen Stuhlgangs zweier Gruppen verglichen wurde: Eine Gruppe verrichtete ihr Geschäft in der Hocke und benötigte dafür rund 50 Sekunden. Die Gruppe, die dafür den unsere klassische Toilette benutzte, brauchte ca. 1:20 Min zum erfolgreichen Abschluss. Warum sich also das Leben unnötig schwer machen? In der Hocke wird angestrengtes Pressen überflüssig, was ja eine der Ursachen für Hämorrhoiden ist und es fluppt einfach viel leichter. Jetzt muss man aber nicht gleich das eigene Klo aufwendig umbauen. Ein Höckerchen für die Füße reicht bereits vollkommen, um von dem positiven Effekten zu profitieren. Die Industrie liefert natürlich auch hierfür bereits praktische Abhilfe mit speziellen Höckerchen, wie dem Squatty Potty.

2.4 Sturzprophylaxe

Die tiefe Hocke hat vor allem für ältere Menschen auch sehr viel mit Sturzprophylaxe zu tun und wie lange sie ihr Leben ohne fremde Unterstützung führen können. Je tiefer man seinen Körperschwerpunkt absenken kann, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren und zu Fallen, desto mehr Kontrolle und Sicherheit behält man. Gleichzeitig hat man auch weniger Probleme beim Aufstehen aus der liegenden Position, wenn die Zwischenposition in der tiefen Hocke solide beherrscht wird. Stürze und der Verlust des Gleichgewichts sind mit zunehmenden Alter eine größer werdendes Problem. Sie gehen häufig mit Frakturen einher, die wiederum lange Phasen der Immobilisation nach sich ziehen. Dadurch wird der altersbedingte Abbau von Muskeln und Knochenmasse massiv beschleunigt.

3. Die größten Einflussfaktoren auf die tiefe Hocke

Die tiefe Hocke ist uns Menschen zwar grundsätzlich in die Wiege gelegt worden. Allerdings weisen viele Menschen bestimmte Längenverhältnisse ihrer Gliedmaßen auf, die eine tiefe Hocke trotz guter Beweglichkeit erschweren können. Dasselbe gilt für die anatomische Formung der Hüften und die Tiefe der Hüftpfannen.

3.1 Anthropometrie/ Längenverhältnisse

Proportionen Kind - Erwachsener
Deshalb sind Babys die perfekten Squater: Veränderung der Proportionen von Babys bis zum Erwachsenen.

Grob lässt sich sagen, je länger die Schienbeine im Verhältnis zu den Oberschenkeln, desto leichter hat man es in der tiefen Hocke. Ein verhältnismäßig längerer Rumpf/Oberkörper macht die tiefe Hocke ebenfalls leichter, weil sich so der Schwerpunkt leichter über der Standfläche der Füße austarieren lässt. Deshalb können Babys auch so schön in der tiefen Hocke sitzen: Grob vereinfacht bestehen Babys und Kleinkinder zu einem überwiegenden Teil aus Kopf und Oberkörper im Verhältnis zum Unterkörper. Im Laufe des weiteren Wachstums werden die Beine im Verhältnis zum Rumpf immer länger.

ideale Femurlänge (Oberschenkellänge) für Kniebeugen

3.2 Hüft-Anatomie

In der Fitnesswelt wird viel zu wenig auf die Tatsache eingegangen, dass sich die Hüft-Architektur von Mensch zu Mensch gravierend unterscheiden kann. Es gibt viele Unterschiede zu beachten. Dazu gehören die Tiefe der Hüftpfannen, deren Lage und Ausrichtung und die Länge und Winkel des Oberschenkelhalses.
Unterschiedliche Hüftformen
Zu ignorieren, dass diese angeborenen Faktoren einen Einfluss auf die Qualität der tiefen Hocke haben, wäre einfältig.
Die Abbildung links macht deutlich, das die Person mit Hüften A andere Voraussetzungen für tiefe Kniebeugen mitbringt als die Person mit Hüften B. Die Hüften A haben über der Hüftpfanne viel mehr Platz als die Hüften B, so dass ein Kontakt mit dem Oberschenkelhals in tieferen Hüftbeugewinkeln unwahrscheinlicher wird. Ähnlich fällt auch der Vergleich der Hüften C mit D aus. Die Hüftpfannen der Hüften C sind so flach, dass man von vorne komplett reinschauen kann. Dagegen sind die Hüftpfannen der Hüften D komplett verdeckt. Die Person mit den Hüften C wird somit praktisch gar nicht von der umgebenden Hüftpfanne in der Beweglichkeit eingeschränkt. Wohingegen die Person mit den Hüften D beim Beugen recht schnell in die eigene knöcherne Begrenzung läuft.
Eine Person mit den Hüften F hat bessere Voraussetzungen für einen breiteren Stand als ein Mensch mit einer ähnlich Hüfte wie in E. Gleichzeitig kann man vermuten, dass die Person mit einer Hüftpfanne wie in E sich schwerer mit einem Spagat tun wird als eine Person mit Hüftpfannen wie in F.
Das sind allerdings nicht alle Einflussfaktoren. Auch der Oberschenkelhals und Gelenkkopf kann sehr unterschiedlich aussehen, wie die untere Abbildung zeigt. Je nach Winkel und Beschaffenheit kann sich der Oberschenkelhals besser oder schlechter ungehindert im Gelenk bewegen. Dieser Faktor beeinflusst die Bewegungsfreiheit maßgeblich.
unterschiedliche Oberschenkelformen

3.3 Hüft-Test um optimale Standbreite für die tiefe Hocke zu ermitteln

Man muss nun aber nicht direkt zum Orthopäden rennen und seinen Unterköper röntgen lassen. Es gibt mehrere einfache Tests, um herauszufinden, bei welcher Standbreite und damit verbundenen Bein-Abduktionswinkel (Beine abspreizen), man am tiefsten in die Hocke kommt. In diesem Video zeige ich, wie du deinen optimalen Fußstand ermittelst:

4. Beweglichkeitseinschränkungen in der tiefen Hocke beheben

Abgesehen von den anatomischen Faktoren, wird die tiefe Hocke hauptsächlich durch steife Hüften und Sprunggelenke negativ beeinflusst. Im folgenden Teil geht es um verschiedene Übungen, die diese Bereiche mobilisieren.

4.1 Sprunggelenkbeweglichkeit verbessern

In älteren Blogs bin ich bereits auf verschiedene Übungen für beweglichere Sprunggelenke eingegangen. So z.B. in meinem großen Tutorial zur einbeinigen Kniebeuge / Pistol Squat, bei der eine gute Sprunggelenksbeweglichkeit sehr wichtig ist.
Eine häufige Übung, die zur Sprunggelenksmobilisation eingesetzt wird ist die Wadendehnung. Dabei wird außer Acht gelassen, dass der Zweiköpfige Wadenmuskel bereits bei geringen Kniewinkeln deutlich an Dehnung und Spannung verliert. Somit kann er die tiefe Hocke nicht behindern, selbst wenn er verkürzt ist. Beeinträchtigend wirkend kann allerdings der Schollenmuskel, der direkt unter dem Zweiköpfigen Wadenmuskel sitzt. Spürt man also in der tiefen Hocke eine Dehnung auf der Wadenseite, so ist es der Schollenmuskel, der verkürzt ist. Mach dir um diesen Muskel aber keine Sorgen, denn er wird bei der weiter unten beschriebenen Übung Goblet Squat Prying bereits mitgedehnt.
Neben dem Gewebe auf der Wadenrückseite, ist häufig auch der Bereich an der Vorderseite des Sprunggelenks steif und hart. Weiches Gewebe, wie Bänder und Gelenkkapsel des Sprunggelenks, kann mit der Zeit relativ fest werden, wenn es nicht die nötige regelmäßige Bewegung erfährt. Diese Entwicklung kann z.B. durch feste und hohe Schuhe begünstigt werden. Eine sehr gute Dehnung für den vorderen Teil des Sprunggelenks ist die Fußspanndehnung oder Seiza-Sitz. Der Seiza-Sitz wird in diesem Video erklärt:


Im Blog Tutorial zur Pistol Squat habe viele weitere Übungen beschrieben, mit denen du deine Sprunggelenke effektiv mobilisieren kannst: Pistol Squat Tutorial

4.2 Hüftbeweglichkeit verbessern

Die Beweglichkeit in der Hüfte wird hauptsächlich durch Muskeln bestimmt, die unsere Hüften umspannen. Zum einen sind das die Beinbeuger auf der Oberschenkelrückseite und ein Anteil des Qudrizeps auf der Oberschenkelvorderseite (rectus femoris). Zum anderen sind das die Gesäß-Muskeln und die tiefliegenden Hüftbeuger. In der tiefen Hocke sind aber nur die Gesäßmuskeln und die Hüftbeuger relevant. Die anderen Muskeln werden in der tiefen Kniebeuge nicht gedehnt, wie im Falle der Gesäßmuskeln. Im Falle der tiefen Hüftbeuger, kommt es in der tiefen Hocke zwar zu keiner Dehnung, jedoch erleichtert ihre Aktivierung und Ansteuerung die tiefe Kniebeuge. Dazu aber gleich mehr.

4.3 Dehnung der Gesäßmuskeln/Außenrotatoren

Der Piriformis-Muskel ist ein kleiner tiefliegender Gesäßmuskeln, den einige vom Ischias-Schmerzsyndrom her kennen. Er rotiert den Oberschenkel u.a. nach außen, zusammen mit einigen anderen kleineren Gesäßmuskeln. Eine Dehnung dieser Außenrotatoren wirkt sich günstig auf die Tiefe und Entspanntheit eurer Hocke aus. Im diesem Video beschreibe ich euch die Übung genauer:

4.4 Aktivierung der Hüftbeugermuskeln, insbesondere Psoas Major

Der Hüftbeuger setzt sich eigentlich aus zwei Muskeln zusammen. (1.) Der Iliacus, der von der Darmbeininnenseite entspringt und (2.) dem Psoas Major, der von den Lendenwirbeln entspringt. Beide laufen zu einem gemeinsamen Ansatzpunkt am Oberschenkel zusammen (siehe Abbildung weiter oben). Der Iliacus ist für die Hüftbeugung bis 90° verantwortlich und bei kleineren Hüftbeugewinkeln übernimmt zunehmend der Psoas Major.

Sowohl beim Sitzen als auch in der alltäglichen Bewegung, gibt es wenige Situationen, in denen ein kleinerer Hüftwinkel als 90° von Nöten ist. Da dafür der Psoas Major verantwortlich wäre, wird dieser durch den chronischen Nichtgebrauch immer schwächer. Gleichzeitig wird der Iliacus durch das viele Sitzen immer kürzer. Das führt zu der eigentlich paradoxen Situation, dass der Hüftbeuger, sowohl verkürzt ist, als auch zu schwach. Gegenrezept: Nicht nur Dehnen, sondern auch kräftigen – und zwar vor allem in den Bereichen mit Hüftwinkeln kleiner als 90°. Das kann man z.B. mit dieser Übung gut machen:

4.5 Goblet Squat Prying

Der Goblet Squat mit einer Kettlebell ist eine super Kräftigungsvariante für die Oberschenkeln und Gesäßmuskeln. Durch das vor der Brust gehaltene Gewicht, wird der Körperschwerpunkt weiter nach vorne verlagert. Das erleichtert vielen Menschen eine tiefere Kniebeuge, ohne das Gleichgewicht nach hinten zu verlieren. Diesen Umstand kann man sich natürlich auch zu Nutze machen. Mit dem Gegengewicht braucht es weniger koordinativen Aufwands, um in eine tiefere Hockposition zu kommen. Die Zeit, die man in der tiefen Hocke verbringen kann, wird so signifikant verlängert und der Konzentrationsaufwand reduziert. Das ist natürlich klasse, weil alle Strukturen, die irgendwie verkürzt/ verhärtet sind, einen länger wirkenden Trainingsreiz erfahren. Das Gleiche gilt für deine Blutgefäße, die sich in Zukunft einen neuen Weg durch deine Beine bahnen werden. Das heißt für dich, endlich kein Brennen mehr, weniger Schweißperlen auf der Stirn und mehr Leichtigkeit. Im Video erkläre ich wie es geht:

5. Fazit zur tiefen Hocke (Saigon Hocke)

Die tiefe Hocke ist eine sehr wertvolle Fertigkeit, mit der jeder Mensch auf die Welt kommt. Einige von uns verlieren diese Position durch einen jahrelangen fahrlässigen Nichtgebrauch. Obwohl die tiefe Hocke keine richtige Kraftübung ist, so braucht sie doch ein gutes Mindestmaß an Kraft. Die tiefe Hocke bedarf auch keiner Beweglichkeit einer Tempeltänzerin. Man erfordert für diese Bewegungsposition aber zumindest eine gesunde Grundflexibilität. Fehlt dieses Grundniveau an Kraft und Beweglichkeit, führt das über die Dauer eines Lebens zu einem enormen Mehrverschleiß unseres Körpers. Fakt ist, der Mensch wurde für die tiefe Hocke gemacht. Die zugletztgenannte Übung Goblet Squat Prying ist ein im Grunde ein sehr effektives Minimalprogramm. Getreu dem effektiven Pareto Prinzip 80/20: Mit 20% des Arbeitseinsatzes 80% des Effekts erreichen. Also – get down to business –  mach dich an die Arbeit und lerne die tiefe Hocke! 😉
Schlagwörter: tiefe Hocke, asiatische Hocke, Saigon Hocke
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Autor: Wiktor Diamant
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14 Antworten

  1. Richtig guter, ausführlicher Beitrag! Ich versuche seit geraumer Zeit in die tiefe Hocke zu kommen ohne sofort nach hinten zu kippen :P.
    Mittlerweile kann ich es ein bisschen und bin ganz stolz drauf…
    Vor den Kniebeugen mache ich immer noch Mobility Übungen, das hilft auch immer.
    Ich habe aber auch gemerkt, dass das für manche Menschen überhaupt kein Problem ist. Die finden das teilweise sogar bequem..haben wohl eine sehr gute Beweglichkeit ;).
    Liebe Grüße
    Steffi von http://www.fruehlingszwiebel.com

  2. Hallo Wictor
    Vielen Dank für die Riesenarbeit dieses Beitrags. Ich habe die „Progressionen“ der Hocke in meine Morgenroutine übernommen.
    Sportliche Grüsse aus der Schweiz
    Beat

  3. Hallo Wiktor! Auf der Suche nach weiteren guten Argumenten für die tiefe Hocke, die wesentlicher Bestandteil meines NIM Bewegungskonzeptes ist, bin ich bei Deinem Beitrag gelandet, den ich super schlüssig und gut erklärt finde. Ich habe einige tolle Übungen entwickelt, die ebenfalls sehr gut auf die tiefe Hocke und das “Auf-den Boden-Hinsetzen-und-wieder-Aufstehen” vorbereiten. Vielleicht hast Du ja Interesse an einem sportlich-fachlichen Austausch? Wir sind sogar bereits bei Facebook miteinander befreundet. Ich würde mich freuen … viele Grüße aus dem Norden, Christiane Figura

    1. Hi Christiane! Freut mich, dass dir der Beitrag gefallen hat. Von deinem NIM-Konzept habe ich auch schon mal gehört! 😉
      Habe dir auch bereits eine Mail geschrieben.
      Viele Grüße
      Wiktor

  4. Toller Beitrag, danke! Ich habe erst durch einen Freund gemerkt, dass ich nicht in die tiefe Hocke kann, zumindest nicht so, dass meine Fersen den Boden berühren. Ich finde es angenehm wie die Muskeln der Hüftinnenseite dadurch gedehnt werden und bin fleißig am üben.

  5. Hallo Wiktor,ich bin 57Jahre,sitze seit 2000 sehr viel am Tag(bin Logopädin).Nach 12-13 Stunden täglich in der Praxis,habe ich mich leider zu wenig bewegt.Sport ist schwierig,da meine Wirbelsäule ab der HWS immer wieder blockiert,meine Bachdecke einen Riss hat (4Kinder)und das innere Gewebe Verwachsungen von vorn bis hinten aufweist.Eine laparoskopische BauchOP mußte erfolglos abgebrochen werden,da kein Durchkommen möglich war.Somit mache ich gymnastische Pbungen.Kniebeuge schaffe ich,aber seid geraumer Zeit komme ich zwar in die Hocke,jedoch nur noch in den Stand,wenn ich mich mit den Händen an etwas festhalte und hochziehe.Das Gefühl dabei ist,als würden meine Kniegelenke einrasten und nicht mehr aufgehen.Was kann ich tun?Für einen Ratschlag wäre ich sehr dankbar.Herzlichst Marion

    1. Hallo Marion, in deinem Fall kann ich dir leider keine Standardempfehlungen geben, weil die Ausgangssituation viel zu speziell ist. Da lässt sich sicherlich vieles zum Positiven beeinflussen. Um jedoch sagen zu können, was genau du tun solltest, ist eine ausführliche Anamnese und Bewegungsanalyse unabdingbar. So etwas geht bei uns sowohl online als auch natürlich vor Ort in Köln. Hier findest du weitere Informationen: https://func-fit.de/angebot/personal-training-koeln/
      Informationen zum Online-Training: https://func-fit.de/angebot/online-personal-training/
      Viele Grüße, Wiktor

  6. Hallo Wiktor
    Richtig guter Beitrag!
    Ich wollte mich auch im Rahmen einer Hausarbeit mit dem Thema der Tiefen Hocke, bzw. mit Sitz/Hockmobiliar befassen. Kennst du gute Lektüre bzw. Quellen, wo man sich in das Thema bisschien mehr reinlesen kann?
    Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
    Beste Grüße

    1. Danke dir für das Feedback! ???
      Leider gibt es hier wenig Literatur zu nennen, bis auf evtl. Einzelstudien bzw. Beiträge. Vielleicht hilft dir aber die Squat Bible weiter. Viele Grüße, Wiktor

  7. Hi Wiktor!

    Danke für diesen Beitrag und auch für deinen, für mich, sehr hilfreichen YouTube Kanal!
    Ich beschäftige mich nun schon einiger Zeit mit der tiefen Hocke und konnte auch bereits, was die Dauer angeht, deutliche Verbesserungen erzielen. Die Tiefe war eigentlich nie ein Problem. Leider ist es bei mir nun aber so, dass wenn ich wieder hoch komme, ich immer erstmal ne Weile brauch bis ich den Rücken wieder richtig gerade bekomme und dieses Gefühl von, ich nenne es mal, „wackeliger Steifheit“ im LWS Bereich wieder verschwindet. Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder vermehrt Probleme mit dem unteren Rücken. Eine genaue Ursache konnte bisher noch nicht diagnostiziert werden. Die meisten sagen ja, die tiefe Hocke sollte Jeder Uneingeschränkt können und daher mit im Alltag integrieren. Ich frage mich nun halt, soll ich einfach weiter durchziehen (neben strecthing, stability Übungen etc.), in der Annahme dass irgendwann alles beschwerdefrei funktioniert oder besteht evtl. doch die Möglichkeit dass sich die tiefe Hocke bei bestimmten Grundvoraussetzungen (bei mir zB auch bereits einige Wirbelgelenkabnutzungen in der LWS) auch negativ auswirken bzw. andere Beschwerden verschlimmern kann?

    Danke im voraus und weiter so! 🙂

    1. Hallo Ronny, danke für das Feedback zum Artikel und zum YouTube-Kanal.

      Was deine Symptome in der LWS angeht, so ist es relativ unwahrscheinlich, dass sie sich durch die Hocke selbst verschlimmern. Vielmehr hört es sich so an als würdest du in diesem Bereich u.a. einige muskuloskelettale Defizite haben, die spezifisch angegangen werden sollten. Aus der Ferne lässt sich so etwas aber natürlich nicht genau beurteilen, weshalb ich dir hier leider auch keine konkreten Tipps geben kann. Hier sollte eine differenzierte Testung verschiedener Bewegungsrichtungen und der Kraft/Beweglichkeit/Kontrolle in diesen erfolgen inkl. die ausführlichen Analyse der Körperhaltung und einer gründlichen Anamnese bei welchen Aktivitäten und seit wann die Symptomatik besteht (Wirkungsmechanismus muss hergestellt werden). Die Defizite sollten entsprechend auftrainiert werden, was im Idealfall fachlich begleitet wird, da es erfahrungsgemäß zu vielen Schwierigkeiten kommen kann, auf die zu reagieren ist. Dieses Vorgehen geht leider über eine typische orthopädischen oder physiotherapeutische Behandlung hinaus. Wenn die oben genannten Punkte erfüllt sind, bist du aber vermutlich in guten Händen! 🙂

      Liebe Grüße
      Wiktor

  8. Ich nenne es Russensitz.
    Ich habe es in Kasachstan beobachtet:
    die sitzen stundenlang in dieser Position! Rauchen, essen spielen Karten, unterhalten sich. Ohne Schmerzen und Blutstau. Auch unabhängig von der Ethnie. Kasachen (asiatisch) wie Russen (slawisch) wie Russlanddeutsche (germanisch). Hat mich fasziniert.

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